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Die Schleimpilze – wahre Wunderwesen

Stell dir vor, du blickst auf das Modell eines riesigen Netzwerks, das eine Nachbildung des Schienennetzes darstellt. Der Plot-Twist: Es besteht vollkommen aus einer Pilzstruktur.

Dazu führen Forscher zwei Experimente durch: Zuerst wird getestet, ob der Pilz eigenständig eine komplexe Struktur bilden kann. In diesem Beispiel ist das Straßenbahnnetz von Tokio nachgebaut. Im Labyrinth repräsentieren Haferflocken die umliegenden Städte. Nachdem der Schleimpilz zum Hauptbahnhof gesetzt wurde, zeigt er eine flächige Ausdehnung und verbindet sich mit den anderen Städten. Das Faszinierende ist, dass die Wurzeln sehr ähnlich wie das existierende Schienennetz der Städte verlaufen. Sie können also helfen, effizientere und stabilere Netze zu entwerfen und somit Verkehrskollapse oder Stromausfälle zu verhindern.

Die Forscher haben festgestellt, dass sich der Pilz zuerst in einem aufgebauten Labyrinth aufgrund einer Nährstofflösung ausbreitet. Wenn dann Haferflocken als Nahrungsquelle an die Ausgänge gelegt werden, zieht sich der Pilz aus den Gängen zurück, die ihn nicht am schnellsten zu seinem Ziel führen.

Diese kleinen Wunderwesen sind somit als Modellorganismen sehr beliebt und können auch zur Planung städtischer Infrastruktur eingesetzt werden. Interessant ist auch, dass bereits Algorithmen entwickelt werden, um Planungen effektiver zu machen. Trotz all dieser Forschungen besitzen Schleimpilze jedoch kein Bewusstsein. Wie funktionieren also diese Wesen?

Genau gesagt durchlaufen sie drei Entwicklungsphasen: In der ersten sind sie erstmal als mikroskopisch kleine, keimfähige Sporen in totem Holz oder am Waldboden auffindbar.

In der zweiten Phase, auch plasmonische Phase genannt, bestehen die Wesen gerade einmal aus einer farbigen Zelle, die weder Haar noch einen Chitinpanzer – wie etwa ein Käfer – besitzt. Sie verwandeln sich auf wundersame Art und Weise durch Feuchtigkeit und Nässe zu männlichen und weiblichen Zellen. Nach dieser Befruchtung teilen sich die Zellkerne jedoch nicht, sondern werden Teil einer Megazelle, also einer großen Zelle ohne Zellwände mit vielen Zellkernen. Dieses Plasmodium frisst daraufhin Mikroorganismen, um den Pilz am Leben zu erhalten. Ihre Spuren sind auch auf z.B. Blättern oder Holz zu erkennen.

In der dritten und letzten Phase entwickelt sich die Zelle zu einem bizarren Trockenpilz. Aufgrund von Trockenheit verschrumpelt der Schleimpilz und mutiert daraufhin zu ballonartigen Gebilden auf Stielen. Es entsteht somit ein Sammelfruchtkörper mit bis zu einer Million gebildeten Sporen.

Man kann sie in allen Terrains auffinden, ob in Eiseskälte von Schnee bedeckt bis hin zur ausgetrockneten Wüste. Sie machen sich für den Kreislauf der Natur nützlich, indem sie das Gleichgewicht der Bodenflora aufrechterhalten. Sie fressen einerseits Bakterien, fördern aber auch gewisse Bakteriengruppen durch Symbiose.

Die Grundvoraussetzung für die Bildung dieser Wesen ist Feuchtigkeit. Wenn zu wenig vorhanden ist, ziehen sie sich zu Sklerotien zusammen.

Dies nennt man auch Überdauerungszustand. Überraschenderweise sind auch Wüstengebiete trotz der vorhandenen Dürren sehr formen- und artenreich. Die kleinen Sporen sind dort austrocknungsresistent und über lange Zeit hinweg keimfähig. In diesen Dauerstadien überleben sie beeindruckender Weise gut 10 Jahre lang ohne Feuchtigkeit und Regen. Wenn diese Kriterien dann vorhanden sind, vermehren sie sich innerhalb von 24 Stunden und der Kreislauf beginnt wieder erneut.

Wenn man sich das so vorstellt, könnte man denken, dass Schleimpilze wahre Überlebenskünstler sind.

Laut aktuellem Wissenstand sind Schleimpilze für den Menschen ungefährlich. Dies wird auch an der TU München genauer erforscht. Dort werden die Fruchtköpfe von bereits über 60% der vorkommenden Arten aufbewahrt. Proben des Pilzes werden gut verschlossen in großen Schränken gelagert, was einen guten Schutz vor Licht und Insekten darstellt.

Schleimpilze, auch Myxogastria genannt, zählen eigentlich nicht richtig zur Gattung der Pilze. Laut dem Botanischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München bilden sie Stadien von sowohl Pilzen als auch Tieren wie z.B. Amöben. Sie bilden somit eine eigene Gruppe der Eukaryoten, also Wesen mit Zellkern, von denen über 1000 verschiedene Arten vorhanden sind.

Ein interessantes Beispiel ist Physarum Polyzepharum, auch „der Vielköpfige“ genannt. Diese Art sendet schwache elektrische Signale ab, welche sich in Töne übersetzen und durch Lichtsignale verändern lassen. Diese Signale geben Auskunft über den Ernährungszustand und das Wachstum des Pilzes und sind auch in der Forschung vielseitig einsetzbar.

Text: Andrea Schießl, Illustrationen: KI Dall-e2; genutzt von V. Bauer, Quelle: https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/schleimpilze-100.html

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