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Exil und Heimat: Die Stimme eines Literaten in innerer Emigration

Öffentlicher Brief eines in Deutschland gebliebenen Literaten:

Verehrte Leserschaft, verehrte Gleichgesinnte und Kollegen, 

ihr seid geflüchtet. Ihr seid gegangen. Ich bin geblieben und doch zwingt ihr mich dazu, euch meine Beweggründe zu erklären. Wir befinden uns in einer Zeit, in der es nicht einfach ist, die eigene Persönlichkeit und eigenen Werte zu bewahren und vor allem zu vertreten. Das Vertreten und Äußern wird verfolgt und sanktioniert. Ich habe Angst. Angst um mein Hab und Gut, Angst um meine Liebsten und natürlich um mein eigenes Leben. Ich habe Angst um meine Kunst. Die eigenen Ideale werden zu idealen Vorstellungen und das tägliche Brot ist begleitet von Angstschweiß und Bangen. Ich bezweifle, dass euer Leben im Exil eins der besseren ist oder gar dem gewohnten gleichkommt. Auch hier, der Nationalsozialismus hat nichts mit heimischen Werten zu tun. Doch mich hält sie hier. Die Liebe zur Nation. Meine Wurzeln sind hier verankert und gewachsen und wenn es sein muss, dann werden sie auch hier verdorren. Trotz allem habe ich Hoffnung, dass wir eines Tages wieder in die Sonne blicken können, ganz weit entfernt von den schattigen Seiten der aktuellen Geschehnisse. Vielleicht werde ich meine Meinung irgendwann ändern oder gar bereuen und euch, meine lieben Freunde, irgendwo in vermeintlich sicheren Wäldern darum bitten, mir einen Weg zu euch zu ermöglichen. Doch bis dahin: verurteilt mich nicht! Kontakte nach außen ermöglichen es von innen gezielt zu kommunizieren. Ein nicht ungefährliches Unterfangen doch der Versuch ist das Einzige, was mir bleibt. Ich versuche meinen Werten, für die ich mit meiner Person und meinen Werken stehe, treu zu bleiben. Wenn wir, die geblieben sind, nicht sprechen und wenn wir, die geblieben sind, der Welt nicht Bericht erstatten oder wenn wir, die geblieben sind, nicht dafür kämpfen, dass es ein Morgen gibt - wer tut es dann? Noch sind wir nicht geschlagen und gefallen. Noch habe ich Hoffnung und träume davon, dass auch ihr, werte Kollegen auf heißen Kohlen im Exil, eines zukünftigen Tages sicher zurückkehren könnt! Bis dahin: Schreibt! Schreibt vom Unbekannten und von dem Zauber einer neuen Welt, weit entfernt von der zerrütteten Heimat. -------------------Mit den besten Grüßen und in guter Hoffnung -------------------- Ihr Bekannter und doch unbekannter Freund.
Text von Neele. Illustration von Samara.
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