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Hexe Waldtraud und die Zauberbutter

Ein etymologisches Märchen zum Schleimpilz „Hexenbutter“

Es war einmal vor langer Zeit in einem dichten, von Laub bedeckten und von Sonnenschein erhellten Wald. Da lebte eine kleine Hexe seit Hunderten von Jahren in ihrem kleinen, jedoch gemütlichen Häuschen am Rande des Waldes, umgeben von vielen Feldern und einem plätschernden Bach. Viele dachten, sie sei garstig, alt und buckelig gewesen, doch dem war nicht so. Mit ihren braunen Sommersprossen und einem stets charmanten Lächeln auf den Lippen, war sie sehr aufgeschlossen, jung und hilfsbereit. „Hallo du! Hexe Waltraud werde ich genannt, leb im Wald, ob warm oder kalt. Bei Wind und Wetter bin ich stets munter, doch oft allein in meinem kleinen Heim“, sagte die Hexe als sie auf einen stacheligen, kleinen Igel traf. „Ingo Igel ist mein Name, auch ich bin oft allein daheim“, seufzte der Vierbeiner leise. Man glaubt es kaum, doch sie wurden schnell enge Freunde und begleiteten sich von nun an auf Schritt und Tritt. Die Zeit verging und aus einem Freund wurden bald schon viele Freunde – Tierwesen und Bewohner des Waldes.
Voller Gelassenheit und innerer Ruhe lag die kleine Hexe Waltraud einst inmitten von feuchtem Moos, umringt von winzigen Käfern, die es sich ebenfalls im kühlen Nass bequem machten. Sie war dankbar und sehr glücklich, nicht mehr einsam sein zu müssen, da schenkte sie jedem ihrer Freunde einen liebevollen Gedanken „Der treue Ingo Igel und der neugierige Benjamin Blaumeise…“. Waltraud dachte nach. Ruckartig sprang sie auf, „Die liebe Doris Dachs! Oh nein, fast hätte ich ihren Geburtstag vergessen. Was mache ich denn nun?“  Sie machte sich schnell auf den Heimweg, um in ihrem kleinen Häuschen etwas Brauchbares für Doris Dachs zu finden. Vor lauter Eile übersah sie beinahe ihre freundliche Nachbarin Frau Fuchs. „Hallo Liebes, wohin des Weges?“, rief Frau Fuchs, während sie fleißig in ihrem blühenden Garten tüftelte. Frau Fuchs war Waltrauds liebste Nachbarin, fast schon wie eine Oma war sie für Waltraud geworden.
Ob an guten oder schlechten Tagen, auf Frau Fuchs war immer Verlass. Unter anderem hatte sie, wie an diesem Tage auch, die besten Einfälle. Waltraud plauderte eine Weile mit ihr und war sofort begeistert von Frau Fuchs´ Idee, Doris Dachs gemeinsam eine leckere Kürbislasagne zu machen. Kaum gesagt, schon getan. Die beiden machten sich auf den Weg in die Küche und stellten alle Zutaten für die Lasagne bereit. „Oh nein, die Butter“, rief Frau Fuchs aufgebracht. Ohne Butter würde sie nicht kochen können und somit gäbe es auch keine leckere Lasagne für Doris Dachs. Das ließ sich Waltraud nicht zweimal sagen und machte sich sofort auf den Weg zu Kobold Knüppelnase, dem Waldladenbesitzer. Nicht lang dauerte es, da stand sie schon im Laden und fragte Kobold Knüppelnase nach einem Block frischer Butter. „Leider muss ich dich enttäuschen, liebe Hexe. Heute habe ich keine Butter mehr für dich in meinem kleinen, feinen Lädchen, aber Benjamin Blaumeise kann dir sicher weiterhelfen!“. Sie bedankte sich recht freundlich und hoffte Benjamin Blaumeise schnell finden zu können. Benjamin Blaumeise war ein sehr aufgeschlossener, jedoch neugieriger Vogel und wusste über alles und jeden Bescheid. Er war der bekannteste Nachrichtenüberbringer des ganzen Waldes und meistens in seinem Baumbüro zu finden. Als Waltraud ihn nun endlich in seinem Büro antraf, fragte sie ihn, ob er wüsste, wo es Butter gäbe. Jedoch konnte auch Benjamin nicht weiterhelfen und so machte sich Waltraud betrübt auf den Rückweg.
Sie hatte Bauchschmerzen und ein schlechtes Gewissen, ohne Butter zu Frau Fuchs zurückkehren zu müssen. Doch halt! Als sie bekümmert über Stock und Stein streifte, fiel ihr eine gelbe cremige Masse auf. Sie wuchs an einem Baum und sah fast verwechselbar mit Butter aus. „Hmm, besser als mit leeren Händen nachhause zu kommen…“, dachte Waltraud in ihrer Not, schnappte sich ihren Hexenbeutel und nahm die Masse mit sich. Zuhause angekommen konnten Frau Fuchs und Waltraud dann mit gutem Gewissen die leckere Kürbislasagne zu Ende kochen.

Mit einem köstlichen Duft im Gepäck machten sich die beiden auf den Weg zum Dachsbau von Doris, wo schon alle ihre Freunde warteten. Dort angekommen gratulierten die beiden Doris Dachs zum Geburtstag, schlossen sie fest in die Arme und überreichten ihr das leckere Geschenk. „Ich möchte mit all meinen Freunden teilen!“, jubelte Doris Dachs und somit schnabulierten die Freunde, bis auf den letzten Bissen, genüsslich aus ihren Tellern. Benjamin Blaumeise staunte: „Nanu?! Das gibt’s doch im Leben nicht!“. Auf einmal trauten die Waldbewohner und Waldbewohnerinnen ihren Augen nicht, als sie eine weitere köstlich aussehende Kürbislasagne auf dem Tisch sahen. Sie waren sich sicher, sie hätten den gesamten Behälter gelehrt, jedoch stand dieser wie unberührt auf dem Tisch. Sie überlegten, wie dies möglich sein könnte, doch ihnen fiel einfach nichts ein. Langsam verkroch sich die kleine Hexe hinter Kobold Knüppelnase. Frau Fuchs zählte währenddessen jede einzelne Zutat des Gerichts auf, doch ihr fiel keine Ungewöhnlichkeit auf. „Es muss die Butter gewesen sein“, murmelte Waltraud leise vor sich hin. Die Freunde sahen sich fragend an, da sie am Nachmittag alle gemeinsam geholfen haben, einen Block frische Butter zu suchen. Alle Anwesenden wussten dabei, dass die Suche vergeblich war. Einen kurzen Moment später nahm Waltraud all ihren Mut zusammen und erklärte Frau Fuchs, dass sie keine richtige Butter gefunden hatte. Um sie nicht enttäuschen zu müssen, hatte sie ihr eine unbekannte, gelbe Masse als Butter verkauft und damit die Kürbislasagne gekocht. Niemand war böse auf die kleine Hexe, im Gegenteil betonte Kobold Knüppelnase darauf freudig, dass sie sich nun nie mehr um Essensnachschub sorgen müssen! Als die Freunde das realisierten, feierten sie nicht nur Doris Dachs´ Geburtstag, sondern auch das unübertreffbare Geschenk, dass allen an diesem Tag gemacht wurde. Von nun an beschlossen die Waldbewohner die gelbe Masse als ihr Geheimnis zu wahren und nennen diese bis heute mit einem breiten Grinsen im Gesicht: „Hexenbutter“. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schnabulieren sie noch heute.

Text von Mareike, Illustrationen von Lisa H.
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